Hallo, wo geht's denn hier zur Zukunft?

Gesellschaftlicher Wandel, veränderte kulturpolitische wie rechtliche Rahmenbedingungen werden die musikalische Bildung in ihrer Breite in den nächsten Jahren vor große Herausforderungen stellen. In den anstehenden Veränderungsprozessen nehmen auch die freien, privaten Musikschulen mit ihren landesweit 170.000 Schülerinnen und Schülern einen beachtenswerten Platz ein. Ein Grund mal genauer hinzuschauen.

Zwei Verbände: Für ein besseres Standing ...

Es gibt, Stand Januar 2024, rund 1400 Musikschulen in Deutschland, darunter kommunale wie auch freie Musikschulen. Ein stabiler Stammbestand, der seit den letzten 20 Jahren nur relativ geringen Schwankungen unterworfen war. Rund 440 dieser Schulen werden vom Bundesverband der Freien Musikschulen (bdfm) vertreten. Der seit 1997 eingetragene Verein, mit Sitz in Berlin, unterstützt die Schulen mit einem breiten Service-Angebot an Beratungen, Fortbildungen und Zertifizierungen, aber auch mit kulturpolitischer Lobbyarbeit auf Bundes- und Landesebene. 932 Musikschulen werden vom Verband deutscher Musikschulen (VdM), dem Fachverband der öffentlichen, gemeinnützigen Musikschulen, vertreten.

Die freien, privaten Musikschulen

Anders als die öffentlichen, kommunal gestützten Musikschulen erhalten die privaten Institute wenig bis keine Unterstützung der öffentlichen Hand und müssen oft ein kompliziertes Konstrukt an Kooperationen und Synergien aufbauen, um sich finanzieren bzw. leistbare Angebote vorhalten zu können. Mit ihren deutschlandweit insgesamt 170.000 Schülerinnen und Schülern leisten die freien Musikschulen in der Fläche einen wertvollen Beitrag zur kulturellen bzw. musikalischen Bildung.

 

Insbesondere im ländlichen Raum sind sie als Serviceleister mit regionalspezifischen Angeboten unverzichtbar und für die Ansässigen oft die einzige Möglichkeit vor Ort an Kultur und Bildung teilhaben zu können. Sie ersparen ihrer Kundschaft nicht selten lange Anfahrtswege zu Ballungszentren und sind in der Umsetzung und Abwicklung ihrer Angebote oft flexibler als die größeren kommunalen "Tanker". Rund 40 % von ihnen haben weniger als 200 Schüler und ein ebenso großer Anteil mehr als 200 bis max. 600 Schüler. Auffallend dabei ist der geringe Anteil an Musikschulen, die mit Festanstellungen arbeiten. Es sind nur 17 %. Die Anerkennung als "gemeinnützig" haben nur 22 % erhalten. Damit ist ihr Spenden-Zugang limitiert. Sie müssen als wirtschaftlich operierendes Unternehmen denken und handeln, was sich auf dem Markt behaupten muss, der, wie in anderen Branchen auch, durch Angebot und Nachfrage bestimmt wird.


Da ist was im Busche

Im Juni 2024 brachte der Vorsitzende Mario Müller die Situation der Musikschulen bei einem dreitägigen Kongress in Trossingen auf den Punkt: „In den nächsten 5 Jahren wird sich die Landschaft der Musikschulen in Deutschland so stark verändern, wie seit vielen Jahren nicht mehr.“  Das liegt nicht nur an dem sogenannten Herrenberg-Urteil, das die Musikschulen seit Juni 2022 vor die Frage stellt, wann und wie sie ihre überwiegend freien Mitarbeiter in ein festes sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis überführen und ob überhaupt noch eine Beschäftigung von Honorarkräften möglich ist, sondern auch an der Zuspitzung verschiedener gesellschaftlicher Phänomene, die sich durch die Corona-Pandemie und die Migrationsthematik verschärft und beschleunigt haben.

 

So sind hier, wie auch in anderen Branchen, auf dem Arbeitsmarkt starke Engpässe bei der Gewinnung von Musikern mit pädagogischem Potential und Interesse zu beobachten. Die rasant zunehmende Digitalisierung sowie die aktuellen multiplen Krisen nehmen zudem Einfluss auf den Arbeitsmarkt und eine Vielzahl gesellschaftlich-relevanter Themen etwa auf soziale wie kulturelle Teilhabe, Bildung, Entwicklung von Soft Skills, Inklusions- und Integrationsmodelle, Finanzierbarkeit von kultureller Vermittlung und und und. Das stellt Musikschulen mit ihren Schülern und Lehrern vor besondere Herausforderungen.

Regulativ: Arbeitsmarkt?

Vieles ist im Umbruch und trifft natürlich auch die insgesamt 8.900 Lehrer, von denen im Bereich des bdfm nur 550 fest angestellt sind, während 8.350 aus Honorarbasis arbeiten. Die Mehrheit der Dozenten sehen in ihrer Lehrtätigkeit lediglich eine Ergänzung zu ihrer freischaffenden Musikertätigkeit.

 

57 % der Musiker erachten eine Festanstellung als wünschenswert, 42 % lediglich eine Teilzeitbeschäftigung, weil sie in erster Linie Musiker sind, die konzertieren, in Ensembles, Bands und Orchestern musizieren, in der Musikindustrie arbeiten u.s.w. Dazu müssen sie flexibel sein. Aber Konzerte, Projekte, Teilengagements reichen wiederum in den wenigsten Fällen zur Existenzsicherung aus und hier liegt für viele die Motivation, sich auch in der Lehre zu engagieren. Mit ihren vielfältigen Tätigkeiten und ihrer Variabiliät bringen sie hohe Qualitäten für den Musikschulbetrieb ein.

 

Corona hatte zur Folge, dass viele soloselbstständige Vollerwerbsmusiker in andere, musikfremde Berufe abwandern mussten, da sie über Nacht keine Einnahmemöglichkeiten mehr hatten. Die meisten, die sich für einen Branchenwechsel entschieden haben, blieben jedoch im anderen Job und sind seither für das professionelle Musikleben verloren. Das macht sich auf dem Arbeitsmarkt, auch für potentieller Musiklehrer, natürlich bemerkbar und minimiert den Gestaltungsraum der musikalischen Bildungseinrichtungen.

 

Die Entwicklungschancen für Musikschulen sind angesichts des angespannten Arbeitsmarktes noch nie so schwierig gewesen wie heute. So erhalten durchdachte Marketing-Konzepte "wie möchte ich als Musikschule öffentlich wahr genommen" nicht nur zur Schüler-, sonder auch zur Lehrkraftgewinnung und -bindung immer mehr Bedeutung. 

Balance zwischen Freiheit und Sicherheit

Die gewonnenen Musiker arbeiten als Lehrer zu 60 % im Instrumental- und zu 14 % im Vokal-Bereich. Ein Großteil der Musiker, nämlich 53%, unterrichtet maximal nur 10 h die Woche, verschiedene höher liegende Zeitmodelle sind nur mit jeweils ca. 15 % hinterlegt. Was ihr Bedürfnis an Unabhängigkeit unterstreicht. Das Verlangen nach Sicherheit, finanzieller Stabilität und Konstanz ist für Musiker die eine Seite, ihre künstlerische Freiheit, Vielfalt und ihr hoher Qualitätsanspruch die andere. Beides in Balance zu bringen ist für die Verantwortlichen der Musikschulen eine Verhandlungsaufgabe, die viel Fingerspitzengefühl erfordert. Empathie, das Einnehmen verschiedener Perspektiven ist sicherlich ein Schlüssel, um auf dem hart umkämpften und hochspezialisierten Arbeitmarkt zu Gunsten der Musikschulen punkten zu können.

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