Im Gespräch mit Vasily Gvozdetsky

Herr Gvozdetsky, wie sind Sie eigentlich auf Nikolai Medtner gekommen?

Natürlich ist man als Pianist immer auf der Suche nach geeigneter Konzertliteratur. Ich bin in Sankt Petersburg geboren, dort auf eine Spezialschule gegangen und schon früh in Berührung mit Medtner gekommen. Er ist für Pianisten eine echte Herausforderung, in Russland bekannter und mehr gespielt als in Deutschland. Und obwohl Medtner deutsche Wurzeln hat, ist er in Deutschland kaum beachtet. Er emigrierte während der Oktoberrevolution nach Deutschland und lebte bis 1924 in Berlin.

Der Standort Berlin ist also legitimiert, aber wie ist es zur Idee eines Medtner-Festivals gekommen?

Mich fasziniert Medtner schon seit vielen Jahren und ich trage mich schon seit einiger Zeit mit dem Gedanken, um Medtners Persönlichkeit und Werk gerecht zu werden, müsste es ein Festival geben. ich habe dazu schon mit einigen Musikern und Kulturwissenschaftlern gesprochen. Aber der entscheidende Impuls hat noch gefehlt.

 

Im letzten Jahr habe ich dann Simon Moser, künstlerischer Leiter der Konzertreihe Steinway Artist meet Baden-Baden, kennengelernt. Wir haben damals in Vorbereitung für die Reihe bei uns, in unserer Berliner Küche, das Programm für eines der Konzerte durchgesprochen. Ich spielte ihm Passagen aus verschiedenen Medtner-Werken vor. Und er war begeistert. Wir blieben auch nach den Baden-Badener Konzerten in Verbindung, die Idee reifte und heute bauen wir gemeinsam das Festival auf.

Sie sagten, Medtner ist deutscher Abstammung. Wie deutsch ist er für Sie?

Wissen Sie, noch mehr als seine deutsche Abstammung prägte in seine tiefe Verwurzelung in der deutschen Romantik. Der Goethe'sche Drang nach oben, bis in die höchsten Sphären des Seins. Dazu noch die Beethoven'sche Strenge und die Freude an der Schönheit und Eleganz der Form. Für mich ist das musikalisch gesehen echt deutsch.

Und was ist für Sie echt russisch?

Die 'russische Seele' wird ja immer wieder gern beschrieben. Jene Mischung aus dem Blick in die unendliche Weite einer gewaltigen Natur, das Auf-sich-wirken-lassen des Schicksals, das Verharren in einer typisch russischen Mischung aus Schauer und überschwenglicher Freude.

 

Und Medtner schafft es diese 'russische Seele' mit der deutschen Strenge des Denkens und Schaffens zu vereinen. Das sind zwei Pole, die zu einer enormen inneren Bewegtheit und Ausdruckkraft führen.

Es sind also zwei Seelen, die in Medtners Brust wohnen?

Ich spüre das auch in seinen Werken sehr deutlich. Sie stehen aber nicht im Widerstreit, sondern er vereint sie ganz selbstverständlich.

Medtner bildet also eine Art ganz natürlicher Synthese. Und er lebte auch viele Jahre in Frankreich und zum Lebensende hin in Großbritanien. Ist er für Sie eigentlich der Prototyp eines modernen Europäers?

Das kann man so sagen, er war in erster Linie einer der letzten Romantiker, der sich in das 20. Jahrhundert herübergerettet hat und der die heutigen Entwicklungen nicht kannte. Er starb 1951 in London. Aber er hat Andersartiges nie ausgegrenzt, sondern war bemüht es mit einzubeziehen. Seine Haltung war von Toleranz und Respekt geprägt und genau das ist doch die Voraussetzung für eine europäische Haltung.

Da haben Sie sicher recht. Wie beurteilen Sie sein Werk?

Im Zentrum seines Oeuvres steht sein umfangreiches Klavierwerk. Das Kollegen wie Rachmanonov nicht genug loben konnten. Jede Sonate von ihm ist von einer unglaublichen Individualität, obwohl sein meisterlicher Umgang mit der Klaviertechnik seinen immer erkennbaren persönlichen Stil kennzeichnet.

 

Die "Märchen", das sind Prelude-ähnliche Werke, sind für ihn ein Feld des Experimentierens. Das ist ist sehr spannend. Neben dem Klavier, hat Medtner aber auch Kammermusik und Kunstlieder geschrieben.

Das klingt sehr vielversprechend und macht Lust mehr auf dem Festival zu hören und über ihn zu erfahren. Ihnen, Herr Gvozdetsky, möchte ich für das aufschlussreiche Gespräch danken.

Das Gespräch führte Ann-Kathrin Virchow, Berlin.

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